Die
innerliche Jubelarie über den unfassbaren Sieg des FC in Hoffenheim
begann sich langsam abzuschwächen, die Gedankenspiele zum Heimspiel
gegen Hertha BSC konnten ebenso
langsam Fahrt
aufnehmen. Dazwischen so ein Länderspiel-Wochenende.
Fußballtechnisch
zuerst dieses „Muss-es-ja-auch-geben-Spiel“ geben Gibraltar und
dann das nervenzerfetzende Duell des Weltmeisters gegen seinen
Vorgänger. Irgendwie mag mein Fanherz solche Wochenenden nicht.
„Wann
spielt der FC?“, fragte
meine Frau an
eben diesem Samstag.
Kurze
Antwort: „Ist
Länderspielpause, nächste Woche erst wieder.“ Auf Sky
Sport-News lief
gerade ein
Interview mit Joachim Löw nach dem Gibraltar-Spiel, das
Thema Podolski kam zur Sprache. Bei mir zu Hause auch, nur hörte
sich das etwas anders an als im TV. Meine Frau: „Wieso lässt der
eigentlich nicht den Podolski spielen?“ Ich: „Keine Spielpraxis
beim Wenger, in England bei Arsenal.“ Frau:
„Wieso
haben die den denn überhaupt gekauft?“ Ich:
„Um
Tore zu schießen.“ Frau:
„Ist
ja doof, dann müssen die denn auch spielen lassen, und wieso war der
auch bei der Weltmeisterschaft immer nur Reserve?“ Ich:
„Der
Löw meinte, andere wären besser.“ Frau
(schmunzelnd):
„Aha.
Das
ist die Strafe, wenn man vom FC weg geht!“ Da war ich platt, so
einfach ist das also.
GB-Echo
im Manga-Style
Das
sieht ja lustig aus, das Wochenend-Sonderangebots-Werbeblättchen von
Rewe, dachte ich, als ich am Freitag meine Post aus dem Briefkasten
geholt habe. Beim
Durchblättern
auf
dem Weg zum Papiermüllkarton habe
ich dann festgestellt, dass es
gar kein Werbeblatt war, es war das
aktuelle Geißbock-Echo. Nette
Idee mit dem Nagasawa-Osako-Mangabildchen,
aber demnächst auf dem Titel bitte wieder mehr FC und weniger Rewe.
Also
gleich mal nachgeschaut, ob eines meiner
Allzeit-Top-FC-Lieblingsspiele gebührend erwähnt wäre. Jawohl,
auf Seite 34, das Pokalfinale am 30. Mai 1977, das der FC mit 1:0
gewonnen hat. Nein, es ist nicht so, dass eine berauschende
Fußballgala für den Sprung in die Best-Game-Topliste gesorgt hätte,
es waren die Begleitumstände. Im Grunde waren es ja zwei Spiele an
diesem denkwürdigen Pfingstwochenende. In Kurzform: Nach Hannover
gedüst, das erste Spiel miterlebt, nach Spielende nach Köln
zurückgedüst, Zelt und Verpflegung eingepackt, in der selben Nacht
zurück nach Hannover, am Maschsee einen Zeltplatz gefunden,
gefeiert, gepennt, wachgeworden, ein Zelt mit Hertha-Fans zwei Meter
neben uns, den Sonntag mit denen zusammen ein wenig oder eher viel
getrunken und gefeiert, am Montag Pokalsieger geworden. So etwas
vergisst man nie.
Luhukays
schöne Jahre in Köln
Nun
sollte es also unter ganz anderen Voraussetzungen gegen das Team von
Jos Luhukay gehen. Im
Berliner Kurier habe
ich seinen Ausspruch
gelesen habe: „Ich
hatte schöne und lehrreiche Jahre in Köln.“ Ich
muss zugeben, mir kam
spontan
der Gedanke: Da
wirst du am Samstag wohl noch eine weitere Lektion mitnehmen müssen,
lieber Jos. Ich
hatte mal vorausgesetzt, dass jeder einzelne FC-Spieler die Vorgabe
von Peter Stöger sowieso auf den Rasen bringt: „Um zu punkten,
müssen wie wieder an unsere Leistungsgrenze gehen was die
Laufbereitschaft, Organisation und den Einsatzwillen betrifft.“ Ich
meine, da darf man doch von ausgehen, oder etwa nicht?
Glück? Pech? Fehler!
Kommen
wir zur Sache. Ganz unverhofft lockte Platz sechs in der Tabelle! Der
FC auf Platz sechs, unglaublich. Man brauchte nur das Ding gegen die
auswärts noch sieglose Hertha nach Hause zu bringen. Und nun? Nun
reden wir vom Pech oder vom berüchtigten fehlenden Quäntchen Glück
oder wer weiß von was sonst noch. Jetzt
erst einmal zurück auf Start und mit
einer realistischen Blickrichtung zur Sache kommen. Wenn
Kevin
Vogt
nach
dem Spiel entschuldigend sagt: „Wir
wollten den Fans drei Punkte schenken", dann hat er etwas falsch
verstanden. Hier geht's nicht um's Geschenke verteilen, weil die Fans
super supportet haben. Hier geht's darum, dass die Mannschaft sich im
Wettbewerb gegen 17 andere als mutige Heimmannschaft zeigen und
Punkte zum Klassenerhalt einspielen muss. Auf den Tabellenplatz zu
schauen, ist dabei genau so Blödsinn, wie am 5. oder 10. oder 17.
Spieltag, es geht darum Abstand zu den Plätzen 16-18 aufzubauen.
Nach
der Pleite gegen die Berliner habe ich in einer Facebook-Gruppe
mitdiskutiert und kurz nach dem Abpfiff gesagt: „Es ist verhext.
Ich kann den Jungs noch nicht mal einen Vorwurf machen, Fehler
passieren halt, und dann gehen da gleich zwei solche Eier ins Netz
und der wirklich richtig gute Schuss knallt an die Latte .... Ich bin
einfach nur enttäuscht.“ Mit
halbwegs verarbeiteter Enttäuschung und mit etwas Abstand
betrachtet, erkenne ich, dass ich es mir zu leicht machen würde, es
dabei zu belassen. Es
kann jetzt nicht darum gehen, lediglich
fehlendes Glück einzufordern, mit dem wir übrigens in Sinsheim fast
schon überschüttet worden sind. Es kann und darf jetzt auch nicht
darum gehen, dass
auf einmal alles falsch ist, oder dass, was
noch idiotischer wäre, die Trainerfrage zum hektischen Thema gemacht
wird. Was aber auch nicht funktionieren kann, wäre
eine Aufforderung
zum Schönreden – manchmal habe ich echt den Eindruck, dass
zwischen offiziellen Zeilen genau dies versteckt
ist.
Wo
bleibt die Entwicklung?
Bemerkenswert
ist momentan, dass bei fast jeder Diskussion nach einem solchen
Negativerlebnis sich die
Stimmungslage unterschwellig mehr und mehr aufheizt. Da
haben sachlich fundierte Argumente keinen
Platz
mehr, die Zeit der verbalen Giftpfeile ist angesagt und irgendwie
reklamiert jeder für sich, der Robin Hood des 1. FC Köln zu sein.
Okay,
das ist der normale Ablauf seitdem
nach Regeln gegen das Leder gekickt wird,
als Fußballfan hat man das auszuhalten. Man sollte aber
darauf achten, seine Meinung nicht nur
auf
Schlagzeilen aufzubauen, in deren Sog sich
selten
etwas Gutes entwickeln konnte.
Ich
denke
nach über
eine Feststellung , die mir bei den Hunderten von
Kommentaren im Kopf hängen geblieben ist: „Es
geht nun mal darum, dass Stöger nicht der Held ist, für den er von
einigen gehalten wird." Es
wird wohl so sein, der
Stöger hat sich in den Aufbauzweitligajahren mit dem dann
tatsächlich realisierten Aufstieg bei vielen einen gewissen
Heldenstatus erarbeitet, bzw. er ist ihm freiwillig und gerne
angetragen worden. Bei mir hat Stöger dann gleich zum Saisonbeginn
einen großen Bonus gehabt, dabei habe ich alle meine Kritik aus den
Vorjahren (die man auf meinem Blog noch nachlesen kann) dann mal
ausgeblendet ... wir sind ja schließlich wieder Erstligist. Ja, ich
habe vorher das Angsthasenspiel kritisiert und auch dieses elende
Hintenrumballgeschiebe immer wieder thematisiert. Aber wir sind ja in
einem Entwicklungsprozess, wird ja immer wieder von den Protagonisten
betont. Nach nun zwölf Spielen, in denen insgesamt mindestens neun
Punkte fahrlässig liegen gelassen worden sind, erlaube ich mir, ganz
langsam ein zartes Andeuten des Fortschritts in diesem
Entwicklungsprozess einzufordern ... und zwar sollte das auf dem
Spielfeld sichtbar werden. Ich werde mich jetzt nicht in die "Liga
der entweder schwarz oder weiß Seher" einreihen, dafür gibt es
viel zu viele Grautöne. Aber mein Vorschussbonus ist irgendwann
aufgebraucht, noch ist es nicht so weit .... Ich werde weiterhin an
die Entwicklung glauben, bis aus dem Glauben ein Hoffen wird, auf
dass es hoffentlich nicht mit einem Knall zerplatzt.
Emotionen
müssen raus
Dass
man
sich unter Fans die
Meinung geigt,
ist ganz sicher okay, so lange es nicht ausartet und vor allem, so
lange es getragen wird von unserer gemeinsamen Begeisterung für
unseren FC. Die ganze Breite der Emotionen spiegelt sich dann wieder
in den wenigen Beispiel-Statements,
die ich rein zufällig ausgewählt habe: „... Es
kann ja nicht sein, dass wir alles nur jubelnd hinnehmen und am Ende
dann mit Tränen in den Augen wieder in Liga 2 gehen“ oder
„... wenn ich dann aus den Vip Räumen höre, wie sie direkt nach
dem Spiel alle am Lachen sind, könnte ich mich übergeben ...“ und
auf der anderen Seite „ … ich habe auch nicht alles gut gefunden.
Aber mich stört diese dauernde negative Einstellung von einigen...“
und „nur was manche hier nach Niederlagen ablassen ist der
Wahnsinn. Wir wollen unbedingt Platz fünfzehn und das sieht momentan
sehr gut aus ...“
Ganz
zum Schluss möchte ich jemanden zitieren, der sicher nicht unter dem
Verdacht steht, FC-Sympathisant zu sein, das Spiel aber kurz und
knackig ganz korrekt zusammenfasste. Jens Hegeler, Mittelfeldspieler
bei Berlin:
„Das
war ein dreckiger Auswärtssieg.“ Ein Vorschlag an den FC: Am
Samstag nachmachen!
Max Günter Jagodzinska
mail: 1951er@jago1.de
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