Als ich am Freitagabend das
Fernsehen eingeschaltet habe, lief auf dem voreingestellten
Sportsender gerade eine Wiederholung des Champions-League Finales.
Ich habe schnell umgeschaltet, aber wenn ich dabei erwischt worden
wäre, wäre sofort wieder der Spruch gekommen: Jaja, grade in der
Bundesliga zurück und sofort wieder von der CL träumen. Dabei
sollte es eigentlich inzwischen auch dem Letzten klar geworden sein,
dass der größte Teil der FC-Fans sich spätestens vor zwei Jahren
im Mai endgültig von derartigen Phantastereien abgewandt hat. Aber
irgendwie ist diese Einschätzung besonders aus den Köpfen von
Kommentatoren, Berichterstattern und Moderatoren nicht rauszukriegen.
In Wirklichkeit habe ich aber umgeschaltet, weil ich mal in die
Zweitliga-Spiele reinschauen wollte. War ganz nett.
Hut ab vor dem FC
Als ich am Sonntagnachmittag (oh,
da fällt mir auf, das ist der gleiche Anfang wie im ersten
Abschnitt, egal, bleibt jetzt so) wegen eines Fotojobs beim
Feuerwehrfest im Nachbarort war, habe ich nebenbei den Satz
aufgeschnappt: „Luur ens, watt der am jrinse ess.“ (Für die
vielen Blog-Leser, die mit der Sprache aus dem rheinischen Universum
nichts anfangen können, hier die Übersetzung: Schau mal, wie der
grinst). Das Grinsen hatte sich am Samstag um 17.15 Uhr in meinem
Gesicht breit gemacht und sich hartnäckig das ganze Wochenende über
gehalten – da war nix gegen zu machen. Dass der FC in Stuttgart
nicht chancenlos wäre, war sicher keine exklusive Meinung der
Geißbock-Fans, aber wie der Sieg eingefahren wurde, das haben
bestimmt nicht alle erwartet. Thomas Strunz, bekannterweise nicht
unbedingt Köln-Supporter, hat später auf Sport 1 die überwiegende
Einschätzung der Fachleute wiedergegeben: „Da kann man nur den Hut
vor ziehen, so aufzutreten.“ Das hört man doch gerne. Das krasse
Gegenteil liefern die Stuttgarter Nachrichten: „Der eher biederen
Elf aus der Domstadt genügte eine solide Abwehrleistung, ...“. Nun
ja, dann sollen die das halt so sehen. Wenn der Verfasser das lokale
Team im weiteren Verlauf als „gruppendynamisches Trümmerfeld,
übersät von nie aufgearbeiteten Erwartungen und Enttäuschungen“
einstuft, darf man ihm ohne Häme empfehlen, sich den Weg des
biederen FC einmal etwas näher anzusehen. In der Domstadt haben
Clubführung, Mannschaft und Fans gemeinsam das geschafft, was dem
VfB offenbar noch bevorsteht.
Vorige Woche habe ich noch
geschrieben: „Mit einem guten 1:1 wäre ich auch zufrieden.“ Mit
dem von Adam Matuschyk angekündigten Dreier bin ich es – wen
wundert's - noch mehr. Bei aller Freude über den Sieg werde ich
jetzt nicht der Versuchung erliegen, die beliebte Kicker-Stecktabelle
deutlich sichtbar ans Fenster zu hängen. Die kleinen Vereinswappen
werden schön an ihren Platz gesteckt und dann wird das Faltblatt
wieder zusammengeklappt und zurück auf den Zeitungsstapel gelegt.
Offen an die Wand gehängt wird das Teil frühestens dann, wenn nicht
jedes Ergebnis gleich Riesensprünge von sechs bis neun
Tabellenplätzen mehr bewirkt, und das ist vor dem 10. Spieltag kaum
zu erwarten. Und der FC muss dann immer noch über dem 16.
Tabellenplatz stehen.
Gut
gemacht, Dr. Felix Brych
Über Schiedsrichter wird fast
nur geschrieben oder geredet, wenn es um Fehlentscheidungen geht –
hat's ja auch genug von gegeben. Ich gebe zu, dass ich das oft auch
so mache. Aber diesmal muss ich unbedingt ein dickes Lob an Dr. Felix
Brych los werden. Als die Stuttgarter eingesehen haben, dass sie an
diesem Tag einfach nicht die Mittel hatten, die FC-Abwehr zu knacken,
haben sie sich vor lauter Verzweiflung immer wieder mal
hingeschmissen – bevorzugt im oder in der Nähe des Strafraums.
Schiri Brych hat den nahtlosen Übergang der mentalen in die
körperliche Schwäche genau richtig erkannt und den Bodenkontakt von
Ibisevic oder Gentner nicht in ursächliche Verbindung mit einem
Körperkontakt eines Kölner Spielers gebracht. Danke, Dr. Brych.
Niedlich waren in der Halbzeit übrigens der verletzte
Neu-Stuttgarter Daniel Ginczek und Timo Hildebrand als
Interview-Partner. Hildebrand freute sich darüber, dass der VfB
deutlich mehr Ballbesitz hatte – Herzlichen Glückwunsch dafür –
und Ginczek verweigerte auf die Frage, was er seinen Mitspielern
raten würde, um das Spiel noch zu drehen, die Antwort: „Ich möchte
den Gegner jetzt nicht zu sehr aufbauen.“ Das ist mal 'ne echte
Aussage.
Max Günter Jagodzinska
mail: 1951er@jago1.de
Alle Fotos und Texte dieses Blogs sind urheberrechtlich geschützt.
Jegliche Verwendung ohne vorherige schriftliche Freigabe ist untersagt